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„Antisemitismus ist Information.“

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Lesezeit: 3 Minuten

Der Kommunikationspsychologe Leo Sucharewicz weiss, wie man Antisemitismus bekämpft; “Mit besserer, schnellerer aber vor allem rechtzeitiger Information“. Im Interview mit Yvette Schwerdt erklärt er, wie eine solche Informationsoffensive im deutschsprachigen Raum aussehen könnte.

Seit vielen Jahren beschäftigen Sie sich mit Antisemitismus und antiisraelischen Tendenzen. Können Sie Ihre Erkenntnisse auf eine Formel bringen?

Antisemitismus ist Information. Sie kommt aus Büchern, Predigten, Presseberichten und Veranstaltungen. Sie wird weitergetragen durch Eltern, Organisationen, Propagandisten und Freunde und auf diese Weise verbreitet. Antisemitismus ist also nichts Mystisches, Schicksalhaftes oder Unerklärliches. Erstaunlich ist lediglich, wie unwissenschaftlich, unpraktisch und unprofessionell in der Diaspora Antisemitismus behandelt wird. Gleiches gilt für antiisraelische Propaganda.

Sehen Sie denn eine realistische Chance, Antisemitismus und Antizionismus im deutschsprachigen Raum zu bekämpfen?

Selbstverständlich. Deutschland, Österreich und die Schweiz sind demokratische, rechtsstaatliche Länder. Die jüdischen Gemeinden haben alle Chancen, sich zur Wehr zu setzen. Hassinformation bekämpft man mit Information. Mit besserer, schnellerer aber vor allem rechtzeitiger Information. Wer zuerst informiert hat in der Regel schon gewonnen.

Können Sie das an einem Beispiel konkretisieren?

Sehen Sie die Leserkommentare in den Medien an. Massenhaft plappern Leser Hamas-Propaganda nach. Warum? Weil Hamas Propaganda intensiv betreibt und die Medien inflationär mit gestellten Bildern füttert. Würden die ständigen Raketenüberfälle auf Israel systematisch in die Medien gebracht, wären die Leser über die Hamas informiert und könnten Ursache und Wirkung unterscheiden.

„Palästinensische Propaganda ist intensiv, unermüdlich, skrupellos, und fleissig.“

Viele Medien verschweigen aber den Raketenterror der Hamas.

Das ist leider wahr, liegt aber auch daran, dass weder die jüdischen Gemeinden noch Israel selber in den vergangenen Jahrzehnten professionelles Informationsmanagement betrieben haben. Dennoch bleiben genügend Möglichkeiten, die wahren Fakten zu verbreiten, nicht nur über die sozialen Medien.

Was macht den Erfolg der palästinensischen Propaganda aus?

Sie ist intensiv, unermüdlich, skrupellos, und fleissig. Und wirkt natürlich auch nach innen auf die heute hochpolitisierte palästinensische Zivilgesellschaft. So massiv ist der Impact der häufig fiktiven Informationen, dass ein Mörder, der eine ganze Familie auslöscht, als Held gefeiert wird. Die ihn feiern, sind aber nicht allesamt Schlächter sondern zutiefst von der Richtigkeit der Propaganda überzeugt.

Wie kommt es, dass Wahrheit und Fakten durch Hassinformation verdrängt werden oder  dass Terroranschläge bejubelt werden? 

Information transformiert sich. Worte oder Bilder werden zur aktuellen Meinung, dann zu einer Haltung, dann zur festgefügten Überzeugung und schliesslich zu Emotionen, wie Wut und Hass. Damit wird Information endgültig Teil des Ichs, Teil des eigenen Selbstverständnisses. Wer diesen Punkt erreicht hat, verdrängt alle Fakten.

Haben Sie auch dafür ein aktuelles Beispiel?

Dipl. sc. pol. Leo Sucharewicz gehört zu den führenden Kommunikationspsychologen in Deutschland.
Dipl. sc. pol. Leo Sucharewicz gehört zu den führenden Kommunikationspsychologen in Deutschland.

Die ARD sendete kürzlich einen Bericht über angeblichen Wassermangel in der Westbank. Ein bekannter Israelfeind brachte wider besseres Wissen die völlig verzerrte Darstellung eines einzigen Dorfes, eines von über 700. Was bringt einen Menschen dazu? Verinnerlichte Hasspropaganda. Martin Schulz [Präsident des Europaparlaments] beklagte in seiner Rede vor der Knesseth, dass Palästinenser nur 17 Liter pro Person Wasser am Tag zur Verfügung haben, Israelis aber 70. Beide Zahlen sind grundfalsch. Palästinenser verbrauchen 160 Liter pro Tag und Person, Israelis 150. In Israel wird Wasser recycelt und gespart, die Palästinenser warten ihre Leitungen nicht. Martin Schulz war schlicht fehlinformiert.

Was müsste also geschehen, um proaktiv und reaktiv wirkungsvoll zu informieren?

Erstens müssen die Gemeinden zur Kenntnis nehmen, dass sie sich mitten in einem aufgezwungenen Informationskrieg befinden. Zweitens müssen sie informationspolitisch aufrüsten. Dazu gehört eine kommunikative Infrastruktur, Ausbildung, Koordination und Finanzierung. Noch ist es nicht zu spät.


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